Kunstprojekt und Ausstellung im Stadtmuseum Weilheim 2014
„Poesie der Schilder“. Die Idee.
Die Kommunikation über Zeichen ist älter als die Sprache. Kaum ein Lebensbereich, der ohne sie auskommt. Verkehrs- und Hinweisschilder in ihrer rigorosen, der Unmißverständlichkeit und Klarheit verpfl ichteten Aussage gehören zu unserer täglichen Erfahrung. Wir lesen die Hinweise, befolgen Gebote oder mißachten sie. Ihr Nutzen ist für jedermann erkennbar. Gefolgschaft, Demut, Einsicht heischend, kommandieren sie uns alle, bis wir vor lauter Schildern die Übersicht verlieren. Sie retten Leben, bewahren uns vor Unheil, weisen den Weg. Sie sind, ganz anders als Kunstwerke, geprägt von Funktionalität in ihrer besten Ausprägung.
Jos Hubers Gemälde „Letztes Leuchten“ konfrontiert uns mit dem Vordringen des Verkehrs bis in Hochgebirgsregionen und der Konsequenz, auch dort mit Halteverboten und Parkplatz-Zeichen auf menschliches Verhalten steuernd einzuwirken. Alltagsgegenstände aus ihrer Nutzung herauszulösen und die Sicht auf sie durch eine künstlerische Umdeutung oder Bearbeitung zu verändern, das ist spätestens seit Marcel Duchamp nicht ungewöhnlich.
Die Idee, die allgegenwärtigen Verkehrs- und Hinweisschilder zum Thema eines Kunstprojekts zu machen, hatte mich schon einige Zeit beschäftigt. In einem Gespräch mit Herrn Jürgen Bremicker und der Geschäftsführung des Weilheimer Unternehmens Bremicker-Verkehrstechnik haben die Aufgeschlossenheit für die Idee wie auch die Bereitschaft, daraus ein gemeinsames Projekt zu machen, schnell alle Wege geebnet.
Die Mitglieder des Kunstforums Weilheim bekundeten ihr Interesse an dem Projekt, und schon bald konnten wir eine große Zahl ausgemusterter Verkehr- und Hinweisschilder übernehmen und den Künstlern zur Auswahl anbieten. In der Arbeit mit den Schildern war die Kluft zwischen der eigenen künstlerischen Handschrift und Ausdrucksweise und der klaren, unmißverständliche Sprache der Schilder zu überbrücken. Im Dialog mit den vertrauten Zeichen sollte gleichwohl der ursprüngliche Zweck erkennbar bleiben und in eine fruchtbare Spannung zur Neuschöpfung treten. Viele der Schilder haben über Jahre und Jahrzehnte an unbekanntem Ort ihre Aufgabe erfüllt. Verblichen, gealtert, durch vielerlei, auch natürliche Einwirkungen sichtbar verändert, bringen sie ihre eigene Geschichte mit, die die künstlerische Auseinandersetzung bereichert hat. Das weite Spektrum der phantasievoll, hintergründig bis humorvoll, konzeptionell, malerisch oder zeichenhaft gearbeiteten Werke zeigt, welches Potential in Alltagsgegenständen steckt, wenn sich Künstler mit ihnen befassen. Die Betrachter und Besucher der Ausstellung zeigten sich überrascht, viele waren begeistert. So ist ein Dokument unserer Zeit entstanden, in dem sich in einem kleinen Ausschnitt unsere tägliche Erfahrung und die künstlerische Sichtweisen auf kreative Weise begegnen.
Wolf Schindler
Poesie der Schilder
Verkehrszeichen als profane Industrieprodukte und bildende Kunst mit Ihrer gestalterischen Freiheit, wie kann das funktionieren?Als Herr Wolf Schindler vom Kunstforum. Weilheim mich im Herbst 2013 im Stadtmuseum ansprach, um ein Kunst-Projekt mit dem klangvollen Namen „Poesie der Schilder“ zu verwirklichen, konnte ich mir darunter noch nichts vorstellen. Was meine Neugierde dennoch weckte, war der Gedanke dass Künstlerinnen und Künstler durch eine differenzierte Herangehensweise alten und ausgedienten Verkehrszeichen einen neuen Sinn und Ausdruck verleihen konnten. Die Mitarbeiter unserer Firma, der Bremicker Verkehrstechnik GmbH & Co. KG, unterstützten das Vorhaben tatkräftig. Innerhalb weniger Wochen konnten über unseren Außendienst zahlreiche gebrauchte Verkehrszeichen zusammengetragen werden. Die Vielzahl der daraus entstandenen, interessanten und einfallsreichen Arbeiten hat mich wirklich positiv überrascht. Schon beim ersten Blick auf die Werke war ich begeistert. Den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern kann ich zu diesen Schöpfungen nur gratulieren und meine Bewunderung aussprechen. Ich glaube, dass es allen Leserinnen und Lesern dieser Veröffentlichung ebenso gehen wird wie mir: Beim Blick auf ein Verkehrszeichen schwingt künftig neben allem Ernst auch ein bisschen Poesie mit.
Jürgen Bremicker
Grußwort der Kulturreferentin Ragnhild Thieler
Das Kunstforum Weilheim Für eine bemerkenswerte Gemeinschaftsausstellung des Kunstforums setzten 24 Künstler Verkehrszeichen in wahre Kunstwerke um und diese waren vier Wochen in unserem Stadtmuseum zu sehen. Es freut mich, dass nun zu dieser Ausstellung ein Katalog entstanden ist, der uns nochmals zeigt, wie sich die Künstler mit dem Schilderwald unseres täglichen Lebens auseinandergesetzt haben, wie sie die Schilder aus ihrem gewohnten Umfeld befreit, ihrer ursprünglichen nützlichen Funktion beraubt und durch künstlerische Herangehensweise verändert haben. Herzlichen Glückwunsch zu dieser ungemein humor- wie kunstvollen Ausstellung, herzlichen Dank Herrn Schindler, der die Themenidee hatte und der Firma Bremicker, die die Schilder zur Verfügung gestellt und den Katalog ermöglicht hat.
Ragnhild Thieler (Kulturreferentin der Stadt Weilheim)